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Die Geschichte des Vibrators

Die Waffen der Frau – Gedanken zur Geschichte des Vibrators

Er ist 19,8 cm lang und zwischen 2,8 und 3,6 cm dick. Er besteht aus Silt, einem feinkörnigen Sedimentgestein, wurde mit großer Sorgfalt poliert und graviert und stellt ganz offensichtlich die Nachbildung eines durchaus stattlichen, erigierten Penis dar. Vor etwa 28.000 Jahren diente dieser historische Dildo gleichermaßen als Sextoy für Frauen, wie auch als Schlagwerkzeug oder sogar als Waffe. Gefunden wurde der Steinzeit-Penis 2005 in der Höhle „Hohler Fels“ nahe Schelklingen in der Schwäbischen Alb. Zur „Waffe“ sind Dildo und Vibrator viel später noch in ganz anderer Weise geworden, zu einem Symbol für die Befreiung der weiblichen Sexualität von jahrtausendelanger Unterdrückung.

Glaubte man bislang, die Geschichte funktioneller Sextoys beginne in Griechenland, so scheint inzwischen klar zu sein, dass sexuell stimulierende Hilfsmittel schon viel früher von Menschen hergestellt und benutzt wurden. Aus der ägyptischen, griechischen und römischen Geschichte, aus Indien, Pakistan und China sind uns penisförmige Sexspielzeuge bekannt, die Frauen offensichtlich ganz selbstverständlich zum Masturbieren benutzten.

Etwa 800 v. Chr. dienten sogenannte Olisboi (Singular: Olisbos = Prothese, Dildo) offenbar weniger der weiblichen Selbstbefriedigung, als vielmehr der gezielten sexuellen Stimulation der Frau durch Männer, Freunde/innen oder Priester, die in voyeuristischer oder ritueller Weise den lustvoll-ekstatischen weiblichen Hochgefühlen beiwohnten. Diese frühen Dildos bestanden aus Ton, waren innen hohl und wurden mit warmem Wasser gefüllt. 500 v. Chr. nutzen Priester in Griechenland Dildos, um Mädchen rituell zu entjungfern.

Kleopatra (69 – 30 v. Chr.) bediente sich ganz ungeniert diverser Hilfsmittel, um ihre sexuelle Leidenschaft auszuleben. Neben Marmordildos soll sie u. a. eine mit Bienen gefüllte Papyrustüte zur Stimulation ihrer Klitoris genutzt und damit den ersten Auflegevibrator der Welt erfunden haben. Ob’s stimmt …? Nacktheit, Lust und Sex waren den Menschen über Jahrtausende hinweg Entspannung, Lebensfreude und Ausdruck einer leichten, optimistischen Lebenseinstellung. Zahlreiche Gottheiten waren zugleich Vorbilder, Begleiter und Beschützer dieses vitalen und freudvollen Lebens und Erlebens.

Das änderte sich radikal mit dem Erstarken des jüdisch-christlichen Monotheismus. Schnell verschwanden die heiteren Gottheiten der Griechen und Römer von der Bühne der Geschichte. Wie ein bleierner Mantel legte sich eine asexuelle Trübsinnigkeit über das Abendland, die im Mittelalter in einer regelrechten Verteufelung alles Sexuellen bis hin zum Hexenwahn gipfelte.

Und doch spielten auch in den 2000 Jahren seit Kleopatra Sextoys eine wichtige Rolle – zwar nicht als Spielzeuge, aber als medizinische Instrumente! Schon in der Antike dienten Dildos dazu, Unterleibsschmerzen bei Frauen zu behandeln. Tatsächlich kann Frau, wie wir heute wissen, durch Stimulation ihrer Klitoris z. B. Menstruationsschmerzen lindern.

Ab dem 14. und 15. Jahrhundert besann man sich wieder auf diese Heilmethoden und therapierte nunmehr auch psychische „Erkrankungen“ (erotische Fantasien, Nymphomanie, Melancholie, Paralyse, Hysterie, Nervosität, Zustände von Verwirrung) sowie physische Symptome (Atemnot, Blässe, Schlaflosigkeit und vaginale Nässe), indem etwa eine Hebamme der Frau mittels Dildo oder den Fingern einen feurigen Orgasmus verschaffte.

Ursachen dieser „Frauenkrankheiten“ waren gleichermaßen zu seltene als auch zu häufige Orgasmen. Masturbation, so wurde argumentiert, führe zum Unwillen gegenüber der Ehe, Empfindungslosigkeit und lesbischen Neigungen. Es galt also, sowohl dem Sexmangel bei unverheirateten Frauen, Witwen und sogar Nonnen vorzubeugen, als auch die schädliche Masturbation zu unterbinden.

Zunächst setzte man dabei auf recht skurrile Mittel. So wurden den Patientinnen Zäpfchen aus Alpenveilchen, Knoblauch oder Ochsengalle in die Scheide eingeführt. Später versuchte man, den weiblichen Unterleib durch heilende Dämpfe zu therapieren. Hierzu hockte sich die nackte Patientin mit gespreizten Beinen über eine Art Duftlampe (Stövchen), auf der eine Kräuteressenz verdampft wurde. Damit die Dämpfe in die Vagina gelangten, wurde der Frau zuvor, ähnlich einem Spekulum, ein hohler, löchriger Metalldildo („Mösenöffner“) in die Vagina eingeführt. Auf diese Weise wurde die Vaginalöffnung erheblich (5 cm und mehr) gedehnt und offen gehalten.

Im 19. Jahrhundert eröffnete man Therapiezentren und Thermalbäder, in denen „gynäkologische Masseure“ Frauen mittels Hydrotherapie Erleichterung verschafften. Hierbei wurde die Klitoris mit einem eiskalten Wasserstrahl bis zum Orgasmus stimuliert. Den Damen gefiel die Behandlung offenbar so gut, dass binnen kürzester Zeit immer mehr Frauen „erkrankten“. Die Behandlungsdauer von einer Stunde erwies sich als zu lang. Eine effektivere Methode musste her.

Die Geburtsstunde des modernen Vibrators

In den 1860er Jahren schuf Gustav Zander, einer der Väter der modernen Sport- und Wellness-Medizin, seine „schwedische Bewegungsmaschine, welche von George Taylor weiterentwickelt und im Jahre 1869 als erster Vibrator patentiert wurde. Dabei handelte es sich um eine dampfbetriebene Apparatur gewaltigen Ausmaßes. Die „Patientin“ lag bäuchlings auf einem Tisch. Ihren Intimbereich hatte sie in eine dafür vorgesehene Auswölbung zu pressen, während der vibrierende Kopf des „Manipulators“ die derart fixierten Geschlechtsorgane, insbesondere die Klitoris, von unten massierte. Die Methode soll bereits nach 10 min. zum Orgasmus geführt haben.

1880 entwickelte der britische Physiker Weiss den ersten elektrischen Vibrator, der später von Mortimer Granville zum batteriebetriebenen Vibrator umgestaltet und patentiert wurde – ein einfacher vaginal nutzbarer Stabvibrator.

1899 erschien erstmals in einem US-amerikanischen Magazin eine Werbeanzeige für batteriebetriebene Vibratoren, welche zur Linderung von Kopf- und Nervenschmerzen angepriesen wurden.

Schon im Jahre 1900 präsentierte sich auf der Pariser Weltausstellung eine Vielzahl stimulierender Massagegeräte, die auf ganz unterschiedliche Weise angetrieben wurden – mit Strom (aus der Steckdose oder über ein mit der Glühlampenfassung zu verbindendes Kabel), Batterien, Gas, Wasser, Muskelkraft und angeblich sogar durch Wind (daher wohl auch der Ausdruck „Blasen“).

1918 wurden Vibratoren als eine „sehr befriedigende Ehehilfe“ feil geboten.

In den 1920er Jahren verlor der Vibrator seine medizinische Bedeutung. Nachdem ein solches Toy erstmals in einem Pornofilm aufgetaucht war, wurde amerikanischen Medizinern und Psychotherapeuten die Verwendung dieser „Heilmittel“ verboten.

Doch der Markt war stärker als Moral und Restriktionen. Nun präsentierten die Amerikaner Kombigeräte, die sowohl als Mixer, Fön oder eben als Vibrator benutzt werden konnten – unauffällig und diskret. Dieser Trend war recht langlebig, denn noch 1950 brachten „Sears, Roebuck & Co.“ einen Massagestab auf den Markt, der einerseits zur vaginalen Befriedigung, durch verschiedene austauschbare Aufsätze aber auch als Küchen-Rührgerät oder Ventilator genutzt werden konnte.

Als der Sexualforscher Dr. Alfred Charles Kinsey 1948 (Männer) und 1953 (Frauen) in seinen aufsehenerregenden „Kinsey-Reports“ klarstellte, dass 94% aller Männer und mindestens 40% der Frauen masturbieren, glich dies einem Dammbruch auch für die Akzeptanz und Verbreitung von Sextoys und insbesondere Vibratoren. Unter dem (noch) etwas schüchternen Namen „Fachgeschäft für Ehehygiene“ eröffnete 1962 in Flensburg BEATE UHSE den ersten Sexshop der Welt. Parallel dazu entstand an fast gleicher Stelle das Konkurrenzunternehmen ORION.

Ende der 1960er Jahre hatte sich die „freie Liebe“ endgültig aus den Fesseln von Prüderie und lustfeindlicher religiöser Bevormundung befreit. Der Vibrator war wieder das, was er von Anbeginn war: Ein Spielzeug, das nunmehr Frauen UND Männern eine atemberaubende Vielfalt sexueller „Lustspiele“ ermöglicht.

In den 1970er Jahren verhalf die Erfindung des Silikons der Sextoy-Branche zu einem weiteren, ungeahnten Aufschwung. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten nahm die Mannigfaltigkeit farbenfroher, in Design, Anatomie und Ergonomie preisgekrönter Vibrator-Modelle rasant zu. Mädchen und Frauen besitzen Vibratoren heute ganz selbstverständlich – und zu verstecken brauchen sie ihre z. T. hochwertigen Toys schon lange nicht mehr.

Jahrtausendelang war die körperliche Liebe Bestandteil antiker Religionen. Nicht nur das Liebesspiel zwischen Frau und Mann, sondern auch lesbische und homosexuelle Lust und sogar die Knabenliebe waren selbstverständlicher Teil eines glücklichen Lebens. Rund 2000 Jahre nach dem Ende dieser Ära war es zu einem wesentlichen Teil der Vibrator, der die erniedrigende Knebelung weiblicher Lust ein für allemal beendete.


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